Best Practice: Digitalisierung im ländlichen Raum – die kultur.schule Malchin

Judith Kenk - Sichtbarkeitsexpertin aus MV

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Best Practice: Digitalisierung im ländlichen Raum – die kultur.schule Malchin

Wer in der Mecklenburgischen Seenplatte über Digitalisierung spricht, wird schnell auf die kultur.schule Malchin kommen. Hier koordinieren knapp 3 Stellen über 1.200 Schüler*innen. Das geht nur mit einer top Organisation und smarten digitalen Tools. Wie der Leiter und Musiklehrer Fridolin Zeisler die Digitale Transformation erfolgreich umsetzt, das habe ich Fridolin in dem folgenden Interview gefragt. Und nebenbei ergründen wir, welchen Einfluss die Digitalisierung auf die Attraktivität des ländlichen Raums hat und welche Rolle der Mensch dabei spielt.

Fridolin, Du bist Leiter der kultur.schule Malchin und gleichzeitig auch aktiv als Musikschullehrer. Stell die kultur.schule und Dich einmal vor!

Mein Name ist Fridolin Zeisler und ich leite die seit 1990 bestehende Regionalmusikschule Malchin. Im Jahr 2020 ergab sich für uns die tolle Möglichkeit, in ein größeres Gebäude umzuziehen. Das gab uns die Chance, unser Spektrum über die Musik hinaus zu erweitern und ein breites Angebot an Kultur- und Bildungsthemen aufzubauen.

Auf der vierfachen Fläche der alten Musikschulen wird das Angebot inzwischen so gut angenommen, dass in den Kernzeiten alle Räume und sogar die Flure voller Leben und Energie sind. Da der Platz im Bereich der bildenden Kunst seit Beginn nicht ausreichte, wird vor dem Haus ein weiteres Atelier eingeweiht. Aktuell nehmen mehr als 1.200 Schüler*innen unser Angebot an ca. 25 Standorten in Malchin, Stavenhagen, Dargun, Demmin, Altentreptow, den Kindergärten und Schulen wahr.

Neben unserem eigenen Programm bieten wir auch externen Interessierten und Akteuren die Möglichkeit, unsere Infrastruktur zu nutzen. Sie finden bei uns eine kreative und offene Atmosphäre sowie hervorragend ausgestattete Räumlichkeiten. Für Kurse, Veranstaltungen, Ausstellungen, Tagungen, Konzerte, Fortbildungen, Coworking steht alles zur Verfügung!

Fridolin Zeisler: Gitarrenlehrer, Digitalisierungs-Nerd, Pragmatiker, Kommunikationszentrale und Herz der kultur.schule Foto: Monika Opperskalski

Und zu dir als Person, du gibst Gitarrenunterricht, also bist du ausgebildeter Musiklehrer?

Mein musikalischer Weg begann in Berlin, wo ich an Musikschulen Gitarre und Klavier lernte. Ab der fünften Klasse besuchte ich das Spezialgymnasium für Musik “Carl Phillip Emanuel Bach” und setzte meine Ausbildung an der Hochschule für Musik “Hanns Eisler” in Berlin sowie an der Hochschule “Franz Liszt” in Weimar fort. Als Gitarrist war ich sowohl solistisch als auch im Duo und in Ensembles bei Konzerten und Wettbewerben im In- und Ausland aktiv. Vor meinem Studium entschied ich mich jedoch, den Weg eines Konzertmusikers zu verlassen und mich stattdessen der Instrumentalpädagogik zu widmen.

Ein weiteres Feld, das mich schon lange fasziniert, ist die Technik. Nach der Wende durfte ich die Computer, Drucker und Netzwerke meines Vaters warten, habe mit Ton- und Videotechnik zu tun gehabt, konnte viele digitale Erfahrungen sammeln und z.B. die erste Internetseite der damaligen Landesversicherungsanstalt Mecklenburg-Vorpommern erstellen dürfen.

In Malchin hatte ich die Gelegenheit, beide Leidenschaften zu vereinen: den Musikunterricht und die technisch-organisatorische Optimierung der Arbeit in der Regionalmusikschule. Besonders am Herzen liegt mir die Entwicklung der kultur.schule, die durch ihre fortschrittliche digitale Ausstattung, Zugangssysteme und Netzwerktechnik die Verbindung von analogen Themen und digitaler Infrastruktur ermöglicht.

Wie kann ich mir Deinen Alltag vorstellen? Bist Du eher Musiklehrer oder eher mit der Organisation beschäftigt?

Ich unterrichte an den Standorten der kultur.schule Schüler*innen im Einzelunterricht, habe Kurse an Grundschulen, wo die Kinder innerhalb eines Jahres lernen, wie sie sich selbst begleiten und darf das “Große Gitarrenensemble” leiten.

Als Schulleiter der Regionalmusikschule Malchin e.V. sind organisatorische Aufgaben fester Bestandteil meiner Arbeit. Durch den Aufbau der kultur.schulen, die inhaltlichen und räumlichen Erweiterungen sind diese Aufgaben natürlich gewachsen. Deshalb bin ich froh darüber, dass unser Team an einem Strang zieht und die Themen inzwischen breiter verteilt werden.

In der kultur.schule Malchin gibt es viel zu entdecken: Kunst, Kultur und von irgendwoher dringt immer etwas Musik ans Ohr!

Die kultur.schule hast Du gesagt, ist ein Ort für Kultur und Bildung. Was genau bedeutet das?

Man kann es gar nicht so genau umreißen, denn die Begriffe “Kultur” und “Bildung” werden von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich aufgefasst.
Seit Beginn dieser Idee habe ich sehr viele Gespräche geführt. Aus jedem der Gespräche sind wertvolle Ideen entstanden und Eindrücke gewonnen worden, die für die kultur.schule so wichtig sind.

Wenn ich Dich frage, was Deine Vorstellung von Kultur und Bildung darstellt, hast Du sicher eine andere Definition als ich. Genau das macht den Reichtum dieser Themen aus! Jede Perspektive ist wichtig und bereichert unser Verständnis.
Beispielsweise könnten die Eindrücke einer Reise in Gesprächen, Fotos, Videos und Berichten geteilt werden, jemand zeigt, wie Schafe gezüchtet werden, es bildet sich ein Kurs “Deutsch als Fremdsprache” oder eine Band möchte bei uns Aufnahmen für CDs oder Videos machen.

Kultur und Bildung sind so unglaublich vielfältig. Daher betrachten wir die kultur.schule als offenen Raum, der alle Facetten und Interpretationen dieser Themen willkommen heißt.

Im Jahr 2020 ist die kultur.schule umgezogen und hat seitdem viel mehr Platz. Diesen Raum haben Fridolin Zeisler und sein Team genutzt und aus der Regionalen Musikschule die kultur.schule gemacht. Heute ein Ort für Kunst, Kultur, Bildung, Musik, Coworking, Events, Besprechungen und vieles mehr!

Welche Rolle spielt aus Deiner Sicht die kultur.schule für unsere ländliche Region?

In meiner Erfahrung liegt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit in der mangelnden Kommunikation untereinander. Die schnelle technologische Entwicklung verleitet uns oft dazu, weniger Zeit für persönliche Gespräche, gemeinsame Aktivitäten und den Austausch von Ideen und Bedürfnissen aufzuwenden, die essenziell für die Entwicklung neuer Perspektiven sind.  

„In meiner Erfahrung liegt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit in der mangelnden Kommunikation untereinander. … Daher ist es entscheidend, Wege zu finden, wie wir miteinander ins Gespräch kommen können.“.

Fridolin Zeisler

Daher ist es entscheidend, Wege zu finden, wie wir miteinander ins Gespräch kommen können. In ländlichen Raum und Kleinstädten ist es so viel leichter, einander kennenzulernen. Diese Gelegenheit sollte intensiv gefördert werden, da sie einen enormen Mehrwert für die Gemeinschaft schafft.

Ebenso wichtig ist die Frage, wie wir Menschen in unserer Region halten und sie an die Gemeinschaft binden können. Hierbei spielt die Infrastruktur einer Region eine zentrale Rolle, und kulturelle Bildung ist dabei von immenser Bedeutung. Sie ist ein Schlüsselelement, um Gemeinschaft zu stärken und den kulturellen Austausch zu fördern.

Die kultur.schule Malchin und nachfolgend auch die anderen Standorte sind teehnisch top ausgestattet. Von Besprechungs- und Eventtechnik bis zu Streaming, Podcast und Video finden Suchende hier alles!

Ihr seid an 25 Orten aktiv. Dann habe ich gelesen, dass weitere Musikschul-Standorte dazu kommen. Wie hältst du das alles im Blick? Du musst sehr gut digitalisiert und organisiert sein!

Im Jahr 2013 haben wir basierend auf den Erfahrungen unserer Mitarbeitenden und deren Entwicklungsanregungen eine Digitalisierungsstrategie entwickelt. Diese Strategie entwirft eine Vision für die Zukunft der Musikschularbeit, in der alle Hilfsmittel – ob Software oder Hardware – und der gesamte Workflow daraufhin ausgerichtet werden, die Arbeit zu vereinfachen, kosteneffizient und benutzerfreundlich zu sein. Ein wichtiges Kriterium ist außerdem, dass wir die Technik selbstständig beherrschen und nicht von externer Hilfe abhängig sind. Dieser Ansatz erfordert im Vorfeld umfassendes Wissen und zahlreiche Versuche, aber letztendlich führt er dazu, dass unsere Vision Wirklichkeit wird.

Ein konkretes Beispiel: Als Musikschullehrkraft benötigt man ständig Noten, die jedoch nicht überall verfügbar sind, da wir an unterschiedlichen Orten unterrichten. Daher haben wir mit den Gitarrenlehrkräften alle Noten digitalisiert, Stücke aufgenommen, Videos erstellt und mit Notationssoftware bearbeitet. Das Ergebnis ist beeindruckend: Überall, wo ich hingehe, habe ich in meinem Computer alles Nötige dabei. Die effiziente Organisation und Suche nach Stücken durch Schlagwörter erleichtert die Arbeit enorm!

„…wobei wir stets darauf achten, möglichst wenige, aber gut beherrschte Werkzeuge zu verwenden, um Systembrüche, Daten- und Integrationsverluste zu vermeiden.“

Fridolin Zeisler

Bei der Wahl unserer Kernsoftware suchten wir nach einer umfassenden Lösung, da eine einzelne Software, die alle Bedürfnisse abdeckt, nicht existiert. Mit SpeedAdmin haben wir jedoch eine Lösung gefunden, die viele Anforderungen der kultur.schule erfüllt: Verwaltung von Nutzenden, Inventar, Räumen, Kursen, Unterrichtseinheiten und Abrechnungen. Diese Software beinhaltet zudem eine Lernplattform, ein digitales Hausaufgabenheft und Kommunikationsmöglichkeiten und ist plattformübergreifend nutzbar. Ergänzt wird sie durch weitere spezifische Tools, wobei wir stets darauf achten, möglichst wenige, aber gut beherrschte Werkzeuge zu verwenden, um Systembrüche, Daten- und Integrationsverluste zu vermeiden.

„Es heißt: Change Management ist Führungsaufgabe. Leitungspersonen müssen eine Vision haben, wie die Organisation entwickeln werden soll.“

Frdiolin Zeisler

Du bist sozusagen der Ursprung des Systems, ziehst alle Akteure mit?

Es heißt so schön: Change Management ist Führungsaufgabe. Leitungspersonen müssen eine Vision haben, wie die Organisation entwickeln werden soll. Wenn diese fehlt, wird nur verwaltet. Organisatorischer Stillstand ist für mich keine Option in einer Welt, die sich so rasant weiterentwickelt.

… und das funktioniert auch? Oder gibt es Probleme?

(lacht) Wir arbeiten mit Menschen, da begegnen uns immer Herausforderungen und Missverständnisse. Hinzu kommt, dass wir unser aktuelles System erst seit einem Jahr nutzen, was eine stetige Anpassung und Optimierung erfordert.


Ein Werkzeug muss besser sein als das vorher genutzte, sonst macht die Einführung keinen Sinn.“

– Fridolin Zeisler, Leiter kultur.schuler

Sobald die Einführungsphase abgeschlossen ist, beginnen die Lehrkräfte mit der Arbeit im neuen System. Auf diesem Weg stoßen wir stets auf Nachbesserungsbedarf, den die Anfangsgruppe der Early Adopters identifiziert, löst und anschließend kommuniziert. Erst nachdem diese Hürden überwunden sind, können wir das System schrittweise an unsere Hauptnutzer, die Schüler*innen und ihre Familien, weitergeben. Dabei führen wir die Funktionen behutsam ein, um allen einen leichten Zugang zu ermöglichen. Video-Tutorials haben dabei oberste Priorität, und persönliche Schulungen sowie Problemlösungen werden je nach Bedarf angeboten.

Eigentlich hatten wir geplant, uns mehr Zeit für die Umsetzung zu lassen. Doch durch die Übernahme von zwei weiteren Musikschulstandorten mit Schüler*innen und Personal nur ein Jahr nach dem Softwarewechsel mussten wir den Prozess beschleunigen. Diese Herausforderung ermöglichte es uns jedoch, Probleme früher zu erkennen und zu lösen. Wir freuen uns, dass viele organisatorische Prozesse nun deutlich effizienter gestaltet sind.



Wie beherrschst Du solche „Randthemen“ wie zum Beispiel Datenschutz? Das ist doch in der kultur.schule auch ein Riesenthema? Ihr agiert mit Namen und Fotos von Kindern? Kannst Du das zufällig auch?

Zum Teil. Meine Kollegin hat die Schulbank gedrückt und ist jetzt unsere Datenschutzbeauftragte. Gemeinsam haben wir dieses Thema für die kultur.schule definiert. Ein Ergebnis dieser Arbeit: Bis 2018 hatten wir noch einen eigenen Server hier im Haus, den wir selbst betreuten. Aufgrund der DSGVO hätten wir Zertifikate für den ordnungsgemäßen Betrieb nachweisen müssen und haben uns wegen des zeitlichen Aufwands dafür entschieden, die Daten vertrauenswürdigen Unternehmen anzuvertrauen, mit denen wir vertraglich in Beziehung stehen.

Das war übrigens auch ein spannendes Thema bei der Übernahme der neuen Standorte. Aus Gründen der Datensparsamkeit und der Bedienungsfreundlichkeit ist eine Anmeldung bei uns beispielsweise ausschließlich digital möglich. Natürlich mussten wir in einigen Fällen helfen, können aber rückblickend sagen, dass auch dieser Schritt unserer Vision Rechnung getragen hat. Die Einwilligung zur Veröffentlichung von Bildern wird in der Anmeldung natürlich auch abgefragt.

Wir haben eine große Verantwortung für unsere Nutzenden. Und auch hier glaube ich, dass die persönliche Ansprache und der vertrauensvolle Umgang miteinander sehr wichtig ist. Deswegen bin ich als Leiter der kultur.schule in Videos, Tutorials und oft auch am Telefon persönlich mit unseren Nutzenden in Kontakt und übernehme die Verantwortung für die Einrichtung

In der kultur.schule kann auch temporär gearbeitet werden. Hier beispielhaft ein Büro im großen Haus.

Wie ist da Deine Erfahrung, haben alle Menschen eine E-Mail-Adresse oder hat jeder ein technisches Gerät, um das auszuführen?

Natürlich gibt es Menschen, die dem digitalen Wandel skeptisch gegenüberstehen, und das respektieren wir. Ein Beispiel hierfür ist eine Person, die keine E-Mails über neue Unterrichtsinhalte von unserem System erhalten wollte. Wir nehmen solche individuellen Wünsche ernst und passen uns entsprechend an, auch wenn es bedauerlich ist, dass dadurch der Mehrwert unserer Arbeit für das betreffende Kind möglicherweise reduziert wird, da begleitende Unterrichtsinhalte aufgrund fehlender Informationen nicht genutzt werden können.

Ein Blick in die allgemeinbildenden Schulen zeigt, dass digitale Endgeräte inzwischen weit verbreitet sind. Das ist angesichts der Entwicklung seit 2020 auch unabdingbar. Denn der offene und reflektierte Umgang mit Inventionen, Technik, Arbeitsweisen und Geräten ist eine Grundvoraussetzung für schulische, berufliche und auch private Entwicklung.

Wir bauen unser Konzept dahingehend aus, dass sich Schüler*innen das gewünschte Wissen auch dann aneignen können, wenn wir selbst nicht anwesend sind. Natürlich sind die Inhalte vorproduziert bzw. kuratiert. Als Lehrkräfte sind wir bestrebt, alle Lernwege anzusprechen, um schnellstmöglich motivierende Ergebnisse zu erlangen. Und dabei spielt unser Lernsystem eine zentrale Rolle, da dort alle unterrichtsbegleitenden Inhalte wie Videos, Audiodateien, Weblinks, Beschreibungen vorhanden sind und die Kommunikation untereinander und mit den Lehrpersonen ermöglicht wird.

An der kultur.schule kommt niemand so schnell vorbei, der sich mit Digitalisierung im ländlichen Raum auseinandersetzt. UND es ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs – eine Aufgabe, die Fridolin Zeisler auch in den regionalen Standorten sieht.

Du hast gesagt, Du hast Videos vorproduziert. Also bist Du technisch ausgestattet. Kannst Du das umreißen, was Du für Technik hast und was einfach für Dich essenziell ist?

Unsere Mitarbeitenden haben Laptops, die den wichtigsten Bedürfnissen Rechnung tragen: Sie sind leicht, leise, haben einen Touchscreen, Stift und Tabletmodus, besitzen gute Mikros und Lautsprecher, ein Kamera und der Möglichkeit, an den Dockingstations in die Infrastruktur des Hauses integriert zu werden. Die “digitalen Grundbedürfnisse” sind somit umfassend abgedeckt.

Häufig ist es aber so, dass Situationen entstehen, in denen eine höhere Qualität erforderlich ist. Ich nehme als Beispiel die Lernvideos für die Grundschüler*innen. Darin sieht man zwei Kameraperspektiven. Einmal eine Kamera, die die beiden Hände filmt. Und die zweite Perspektive, wo mein Kopf zu sehen ist, damit der persönliche Kontakt nicht zu kurz kommt. Auch zusätzliche Informationen und die Noten können eingeblendet werden. Das ist mit Software und ein paar Webcams zu bewerkstelligen, die wir dauerhaft zur schnellen Nutzung bereitstellen.

Aber es geht noch professioneller: Gute Kameras, Bildmischer, Licht, Ton und die ergänzende Technik stehen dafür ebenso an den kultur.schulen zur Verfügung.
Viele Veranstaltungen, Konferenzen, Tutorials brauchen einfach gute Qualität und sind aufzeichnungswürdig. Mittlerweile dokumentieren wir die meisten unserer Veranstaltungen, damit sie Kinder, Jugendliche und Erwachsene noch einmal sehen, weitergeben und sich daran erfreuen können.

Mit unserem Equipment übernehmen wir das für die Zwecke der kultur.schulen, aber auch für Auftraggeber *innen und geben damit allen die Möglichkeit, das Event zu genießen und sich nicht um die Dokumentation kümmern zu müssen. Bei unseren größeren Konzerten verzichten wir beispielsweise auf die teure Bühne in der riesigen Turnhalle. Wir projizieren das Bild auf die Trennwand und geben damit die Möglichkeit, ganz nah dabei zu sein. Auch in der letzten Reihe.

Wir drucken auch keine Programme mehr. Sie rascheln nur, können im Dunkeln nicht gelesen werden und werden nachher oft weggeworfen. Deshalb projizieren wir alle Informationen an die Wand und integrieren sie auch in den Livestream für diejenigen, die nicht vor Ort sein können.

Software-Unternehmen SpeedAdmin entwickelt mit der kultur.schule gemeinsam die Software weiter
Das dänische Software-Unternehmen SpeedAdmin besucht Anfang 2024 die kultur.schule. Im aktiven Austausch entwickelt das Unternehmen die Software weiter! Foto: Fridolin Zeisler

Ich habe über Euren Instagram-Kanal mitbekommen, dass Du anderen Musikschulen in Deutschland von den eigenen digitalen Prozessen berichtest. Kann man sagen, dass Ihr mit der kultur.schule ein Vorbild seid?

Kultur- und Bildungseinrichtungen digitaler zu denken, ist ein faszinierendes und herausforderndes Thema. Wir müssen mit der Zeit gehen, unsere Lehrkräfte und alle Nutzenden einbeziehen und aktuelle pädagogische Konzepte einfließen lassen. Wir sind immer auf der Suche nach guten, handhabbaren Lösungen, versuchen, unsere Häuser attraktiv auszustatten und alle neuen Themengebiete mitzudenken, um eine moderne digitalisierte Lernumgebung zu schaffen.

Da wir funktionierende Lösungen gefunden und vielfältige Erfahrungen gesammelt haben, dürfen wir regelmäßig Musikschulen und Kultureinrichtungen im deutschsprachigen Raum beraten, unterstützen und fortbilden. Auf Bundesebene arbeiten wir in Arbeitsgruppen des Verbandes deutscher Musikschulen zu diesem Thema, aber auch im Landesverband liegt dieses Thema oft in unserer Hand.

Die Bedeutung von Medienkompetenz für Lehrende kann nicht genug betont werden. Sie müssen wissen, wie unser eigenes System funktioniert. Sie müssen aber auch wissen, wie es von den Schüler*innen auf den eigenen Geräten genutzt werden kann. Wir benötigen einen Überblick über die Möglichkeiten, Herausforderungen und Gefahren von Medien und müssen jederzeit versuchen, auf dem aktuellen Stand zu sein. Auch wenn wir ein geschütztes, in sich geschlossenes Lernsystem aufgebaut haben, in welchem wir die Moderator*innen sind, müssen wir unsere digitalen Prozesse rechtfertigen und unsere Nutzenden mitnehmen.

Oft bekommen wir die Frage, warum z.B. Kinder der zweiten Klasse schon mit unserer App üben sollen. Aber wir sehen ganz klar den Mehrwert, eine Effizienzsteigerung der häuslichen Vorbereitung und damit verbunden sehr viel schnellere Lern- und Erfolgsfortschritte. Dafür lohnt es sich auch, ein altes Smartphone oder Tablet genau für diesen Zweck bereitzustellen. Auf diesem Weg wird das Medium sinnvoll genutzt.

Die Technik erleichtert neben der musikalischen Bildung aber auch andere Herausforderungen. Ein Beispiel: Einige Kinder kommen für eine halbe Stunde Unterricht aus einem Ort zu uns, der eine halbe Stunde entfernt liegt: Eine halbe Stunde Fahrzeit, eine halbe Stunde Unterricht, eine halbe Stunde Fahrzeit zurück. Wenn wir überlegen, welche Ressourcen für den Unterricht gebunden werden: Die Zeit, die Kosten für Auto und Kraftstoff sowie die Frage, was die Erwachsenen während der Unterrichtszeit machen können.

Hier ermöglicht die Technik eine digitale Teilhabe: Schon vor 2020 konnten sich Schüler*innen digital in den Einzel- und Theorieunterricht schalten. Natürlich war die Pandemie Innovationstreiber und hat uns in unserem Weg bestärkt, neue und zielgerichtete Lösungen zu finden. Bereits am „Tag eins“ des ersten Lockdowns konnten die Lehrkräfte den Unterricht digital erteilen. Eine aufregende Zeit, in der wir viel gelernt haben, unsere Unterrichtskonzepte umgestaltet und modernisiert haben. Eine Zeit, in der unsere Nutzenden unglaublich dankbar für die Möglichkeit waren, weiter Musik zu machen und sich zugleich für neue Idee in der Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten begeistern ließen.
Nun ist es an uns, diese Dynamik beizubehalten und nicht in alte Verhaltensweisen zurückzufallen!

Die kultur.schule Malchin ist so erfolgreich und fortgeschritten mit der Digitalen Transformation, dass sich andere Musikschulen aus Deutschland Rat holen. Chapeau Fridolin!

Du bist jemand, der hier Maßstäbe setzt. Du inspirierst andere Musikschulen. Wie kam es zu diesem Austausch?

Durch die Beratung in den Arbeitsgruppen gab es viele, die auf unser Digitalisierungskonzept und die Umsetzung aufmerksam geworden sind. Vor der Pandemie haben wir bereits Workshops und Vorträge zu digitalen Themen der Musikschularbeit gehalten, der Bedarf ist nach dem 16. März 2020 jedoch sprunghaft angestiegen und unsere Herangehensweise hat in den Landesverbänden, an Musikschulen, an Schulen und auch im Bundesverband deutscher Musikschulen großes Interesse erregt.

Vielleicht liegt es daran, dass wir alle Arbeitsweisen in einem sehr kleinen Team selbst entwickelt und im Praxisbetrieb evaluiert haben. Vielleicht spielt die persönliche Ansprechbarkeit und zeitnahe Problemlösung als zentrales Element zur Etablierung neuer Lösungen eine Rolle. Vielleicht haben wir aber auch interessante Lösungen für die alltäglichen Probleme der Musikschularbeit finden können.

Die große Frage dieser Generation ist nicht mehr, wie wir Wissen erwerben, sondern wie der Wissenstransfer möglichst reibungslos gelingt. Gerade in dem sehr traditionellen Umfeld, wie Musikschulen, müssen wir daran arbeiten, gesellschaftliche und technische Entwicklungen aufzunehmen und uns zu eigen zu machen.

Stimmt! Heute geht alles viel schneller, wir leben in der “VUCA-Welt”. Was heute stimmt, kann morgen schon überholt sein. Geht Dir das auch so?

Das ist genau die Kompetenz, die ich meine! Die Bewertung von Informationen setzt immer Wissen voraus und so müssen wir entscheiden, welche Tools wir nutzen, wie wir die “analogen” Fähigkeiten vermitteln, wen wir am besten in welcher Zeit und auf welchem Lern- und Kommunikationsweg erreichen.

Der ländliche Raum braucht Begegnungsorte, Orte des Austausches. So ein Ort kann eine Musik- oder Kulturschule sein, wie hier in Malchin. In diesem Gebäude war früher die Landwirtschaftsschule untergebracht. Der Umzug ein echtes Geschenk für die ehemalige Regionale Musikschule. Heute kommen hier nahezu täglich Menschen zusammen und musizieren, töpfern, weben und tanzen. In den Ferien gibt es spannende Workshops für Kinder und Jugendliche, wie im Sommer 2023 Parcouring und Stuntman.

Was sind für Dich die Vorteile von digitalen Tools oder Tools allgemein, die man sich zur Hilfe nimmt. Was ist für Dich wichtig? Was macht es aus?

Bei dieser Frage denke ich sofort in der Organisationsebene, wo definiert werden muss, wie die Beteiligten mit welchen Werkzeugen arbeiten werden. Dafür müssen die nötigen Prozesse so einfach wie möglich aufgebaut sein. Nur dann werden neue Workflows akzeptiert und genutzt.

Für uns sind Systembrüche zwischen den Tools eine große Herausforderung. Am liebsten ist es uns, wenn es ein einziges Werkzeug für alle Anwendungsgebiete gibt, was in sich konsistent aufgebaut, für alle zugänglich und skalierbar ist. Das ist der Grund, warum wir eine “eierlegende Wollmilchsau” haben wollten, die wir jetzt sicher mit SpeedAdmin haben.

Nochmal zur Digitalisierung: Ihr managt Eure Kundendaten, Onboarding, die Kommunikation, die Buchhaltung, Trouble Shooting und vieles mehr mit digitalen Tools. Welchen Rat gibst Du anderen mit, die sich optimieren wollen, z.B. mit digitalen Tools?

Wie schon gesagt: Wichtig ist, dass man die Bedürfnisse seines Unternehmens genau definiert, eine umfassende Evaluation möglicher Lösung vornimmt und sich dann dauerhaft für möglichst wenige Tools entscheidet, die man möglichst gut versteht und für die man die internen Workflows genau definiert. Damit diese Vorarbeit möglichst optimal in die Praxis gehen kann, müssen die Tools für einen möglichst langen Zeitraum ausgelegt sein.

So wenig wie nötig, so durchdringend verstanden wie möglich.

Fridolin Zeisler

Wir hatten z. B. eine Zeit eine geniale Software, womit wir im Kollegium Wissensdatenbanken, Hausaufgabenhefte, Dateiverwaltung und vieles mehr realisiert haben. Das System war auf die beschriebene Weise entwickelt worden. Die Software hat sich aber in den letzten Jahren so sehr geändert, dass sie immer weniger nutzbar wurde. Damit wurde der Druck aus dem Kollegium und der Wunsch nach Veränderung immer größer. Nun sind wir in der Kennenlernphase des neuen Systems und hoffen, dass es unsere Bedürfnisse besser befriedigt. Dann hoffen wir natürlich, dass wir auch das Kollegium und die Nutzenden von dem System überzeugen können. Das hängt vom System, aber auch von der Kommunikation, den Schulungen und der Problemlösung ab.

Die kultur.schule bietet so viel mehr, als auf den ersten Blick zu vermuten ist: Hier der Tanzsaal im Erdgeschoss.

Was sind Deine nächsten Schritte? Was möchtest Du umsetzen?

Wir sind jetzt in der Situation, dass wir unsere Prozesse skalieren müssen. Dazu gehört einerseits Hardware und die Bewältigung der damit verbundenen Kosten und der Logistik. Viel wichtiger sind jedoch die Menschen! Die Lehrkräfte, die Nutzenden, die Schüler*innen müssen mitgenommen werden und dafür bauen wir jetzt die Strukturen auf. Zentrale Bestandteile sind dabei wieder direkte Schulungen, indirekte Hilfestellungen und Ansprechpartner*innen, die sofort helfen können. Ich bin sicher, dass der Konversionsprozess so gelingen kann!

Was ist Deine Motivation für all das hier und die zusätzlichen Standorte, die sich Hilfe suchend an die kultur.schule gewandt haben?

Eine spannende Frage: Warum tun wir eigentlich das, was wir tun?
Ich bin Gitarrenlehrer geworden, weil ich andere Menschen für das Instrument und die Musik begeistern möchte. Die kultur.schule haben wir ins Leben gerufen, weil wir glauben, dass Kultur und Bildung die Grundlage sozialen Zusammenhalts und der Identität einer Gesellschaft darstellen. Den zusätzlichen Standorten haben wir helfen müssen, da wir nicht verantworten konnten, dass das Musikschulangebot für die Menschen und die Region rund um und in Altentreptow und Demmin wegfallen würde.
Das Konzept kultur.schule ist für die ländliche Region mit kleineren Städten als zentraler Ort für Kreativität und Bildung perfekt geeignet!

Danke für das Interview Fridolin! Ich wünsche Dir und der kultur.schule weiterhin viel Erfolg für eure Transformationen!


Ein herzliches Dankeschön geht an Fridolin Zeisler für die Einblicke in die Digitalisierung an der kultur.schule und allen Akteuren!

Alle Fotos und Screenshots in diesem Beitrag ohne Nachweis im Untertitel sind von mir, Judith Kenk, aufgenommen.

 

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