Instagramability in Städten – Den Ort durch andere Augen sehen

Judith Kenk - Sichtbarkeitsexpertin aus MV

Instagramability Städte und Kommunen

Instagramability in Städten – Den Ort durch andere Augen sehen

Instagramabaility ist nur etwas für Großstädte, wie Melbourne, Amsterdam, Venedig oder weltberühmte Fotospots, wie Lempuyang, die Hängebrücke an der Olpererhütte oder Trolltunga? Dort stehen Menschen an, um ein Foto von diesem besonderen Ort zu bekommen. Ich sage nein!
Instagramability kann für jede Stadt oder Kommune ein Instrument sein, den eigenen Ort und die Umgebung durch andere Augen zu sehen UND sichtbarer zu machen. Diese andere Perspektive können sich Städte zu Nutze machen, um sich zu entwickeln. Welche Orte sind besonders beliebt, welche am häufigsten im Netz präsent? Haben wir überhaupt Foto-Spots, die die Menschen für uns fotografieren und im Netz teilen?
Längst werden Urlaubsziele für den Jahres-Haupturlaub oder den Wochenendausflug danach ausgesucht , ob sie „instagramabel“ sind. Es wurde sogar ein „Instagramability Performance Score“ ins Leben gerufen, der Auskunft darüber gibt, wie präsent Urlaubsorte auf Instagram sind. Vorweg: Mir ist es wichtig, in diesem Beitrag nicht nur auf die Kombination Städte und Tourismus einzugehen oder nur auf Instagram! Es gibt so viele Plattformen für Fotos, auch Google und Co. sollten mitgedacht werden.

Mit Schirmen, Schuhen und Blumenkugeln

Kennst Du die Fotos aus den sozialen Netzwerken, wo bunte Schirme über Straßen „schweben“? Oder farbenfrohe Blumenkugeln die Innenstädte bunter machen. Oder kennst Du die hängenden Schuhe in Palma de Mallorca oder in der Norderstraße in Flensburg? Kennst Du die „blaue Stadt“ in Marokko? Sicher hast Du einiges schon in den sozialen Netzwerken oder den Stati Deiner Familie und Freunde gesehen. Einfach, wirkungsvoll, oft fotografiert und geteilt in den sozialen Netzwerken, in persönlichen Chats oder in der Story/dem Status.

Eines der bekanntesten best practice für Instagramability: Bunte Schirme leuchten in Städten und sind ein tausendfach fotografiertes Motiv. Screeenshot: Suchergebnisse für Schirme in Städten – absolut instagramable, oder?

Instagramability und Unverwechselbarkeit in Städten

Nach dem Auftakt Instagramability für Unternehmen (Wie knuddelige Schafe Deiner Werbung nützen) vom August 2023, widme ich mich heute dem Thema Instagramability für Städte. Bei meinen Recherchen und Reisen, wurde schnell klar, dass dieses Thema nicht nur Potenzial für Unternehmen bietet, sondern auch für Städte ein Ansatzpunkt ist, sichtbarer zu werden. Für Instagramability braucht es auch immer eine „Unverwechselbarkeit“, das sogenannte Alleinstellungsmerkmal (USP = Unique Selling Preposition). Auf beides gehe ich in diesem Blogbeitrag ein.
In den letzten Jahren habe ich Städte besucht, die mich begeistert haben. Und ich habe Städte und Orte gesehen, die sich bei mir nicht verhaftet haben. Woran liegt das?
Hängen die Punkte Instagramability, Alleinstellungsmerkmal und Erinnerungsfaktor zusammen?

horizonte – die jährliche Fotoausstellung in Zingst.

Prominentes best practice für Instagramability aus MV

Wenn Du an Zingst denkst, dann siehst Du in Deiner Vorstellung bestimmt als Erstes die Ostsee, die besondere Seebrücke, jährliche Fotoausstellungen am Strand. Und vielleicht auch eine überdimensionale Brille mit pinken Gläsern? Fantastisch, dann hat Zingst das gut gemacht!

Warst Du dann auch schon einmal in Zingst und hast diese Brille gesucht und bist extra dorthin gegangen? Instagramability wirkt! Und hast Du gesehen, wie die Menschen anstehen, um Fotos zu machen? Kinder, Jugendliche und Erwachsene kraxeln und posen vor, auf und unter der Brille und teilen die Bilder auf ihren Kanälen. Bingo!

Die übergroße pinke Brille des Schweizer Künstlers Marc Moser am Ostsee-Strand von Zingst – spannend, fotogen und einen Druchblick wert.

Ob den Machern der Umweltfotoausstellung „horizonte“ 2016 klar war, dass die Brille des Schweizer Künstlers Marc Moser die wahrscheinlich beliebteste Station des FotoKunstPfades werden würde? Im gesamten Ort verteilt, gibt es verschiedene Outdoor-Installationen, die dazu anregen sollen, den Ort und die Natur in einem neuen Licht zu sehen und fotografisch feszuhalten. Es gibt z.B. normale und sehr große Rahmen, die den Blick auf besondere Perspektiven lenken. Diese Fotorahmen kennt ihr auch aus anderen Orten: Schlossinsel Schwerin, Schloss Fleesensee, Golfplatz Göhren-Lebbin usw.

Ich stehe in einem der Rahmen auf dem FotoKunstPfad in Zingst. Hat wieder funktioniert mit der Instagramability! PS: Die Verbindung zu Zingst, aufgedruckt auf dem Rahmen, wäre das Krönchen gewesen. Wenn Fotos weiter und weiter geteilt werden, dann kann der Ursprung verloren gehen, darum: Auf dem Motiv verewigen.

Zingst – Wenn Instagramability und USP perfekt matchen


Ich möchte unbedingt noch Deine Aufmerksamkeit auf das Foto-Thema lenken. Wenn Du schon einmal in Zingst warst, dann weißt Du, dass Fotografie der zentrale Fokus ist. Es gibt beeindruckende Fotoausstellungen im Ort und am Strand (horizonte). Das Max-Hünten-Haus ist das „Zentrum der Fotografie in Zingst“ und vereint Fotoschule, Printstudio und Fotoausstellungen. Hier können sich Hobbyfotograf*innen Objektive ausleihen!

Zingst hat es also geschafft, sich einen USP aufzubauen (Fotokunst) und mithilfe der Brille einen thematisch passenden Foto-Spot geschaffen, den jeder, der sich vor seiner Reise mit Zingst beschäftigt, dann aufsuchen und selbst fotografieren wird – und natürlich im Netz teilen. Instagramabilty at it’s best! Zingst zeigt, wie es funktionieren kann!

Übrigens, die Stadt Barth hat neuerdings den „blauen Bart“, am Hafen. Ob der sich als instagramable bewährt, muss sich erst noch zeigen. In jedem Fall hat er bei seiner Installation 2022 für Aufsehen gesorgt in der eigenen Umgebung. Die PR läuft also schon. ;0)

Um die Farbe Blau geht es auch hier: Annelie von Ahoi, Influencerin aus der Hansestadt Greifswald, hat ihre Follower mitgenommen auf eine Reise. Unter anderem ging es nach Chefchaouen, die blaue Stadt in Marokko. Ihr müsst diese Stadt einmal googlen und die Bilder dazu. Unglaublich, was Farbe ausmachen kann. Großartige Fotos entstehen dort. Ich kannte die Stadt vorher nicht. Solche Fotos bleiben jedoch unvergessen!

Eine Innenstadt wie die andere

Die bekannten großen Konzerne versuchen in allen Innenstädten, die ihren Anforderungen entsprechen, vertreten zu sein. Dabei denke ich an H&M, Zara, Arko, Ernstings Family und und und. Die Warenhäuser oder Läden der bekannten Marken sind erfahrungsgemäß hoch frequentiert und versprechen, ein Magnet für Besucher zu sein. Und das ist für Städte durchaus erstrebenswert.
Sie bergen aber auch Gefahren. Ihre Inneneinrichtung und das Sortiment sind nahezu identisch, egal in welcher Stadt wir sind. Diese Läden sind also verwechselbar. Wenn Städte ihre Ladenflächen mit solchen Anbietern füllen, dann laufen auch sie Gefahr, verwechselbar zu werden und im Nebel der Erinnerung zu verschwimmen. So erlebt habe ich das auf einer Reise durch Deutschland.

Manchmal braucht es nicht viel für Instagramability: Ein wenig Farbe, Ideen und Mut! Hier belohnt mit über zehntausend Likes.

Wir brauchen Alleinstellungsmerkmale

Binnen weniger Tage hatte ich das Glück zwei völlig unterschiedliche Städte zu besuchen: Eisenach in Thüringen und Rothenburg ob der Tauber, im Norden Bayerns. Unterschiedlicher hätten die Städte kaum sein können.

Eisenach ist in meiner Erinnerung kaum vorhanden, denn woran soll ich mich erinnern, wenn es nur die Standard-Einkaufsläden gibt und auch der Besucherfluss zu den durchaus vorhandenen Highlights der Stadt (bei mir) nicht funktioniert hat. Eisenach ist immerhin die Stadt unterhalb der Wartburg unweit der Drachenschlucht und alles verwoben mit Luther und Bach. Großes Potenzial also.
Es gab ein einziges Geschäft, mit regionalem Holzhandwerk und ein außergewöhnliches Restaurant, den Kartoffelkeller. Der Rest war Standard und absolut verwechselbar. Warum schafft es eine Stadt, die vis à vis zu einer der top Sehenswürdigkeiten Deutschlands liegt nicht, sich in meiner Erinnerung zu verankern? Eine bunte Treppe fällt mir ein. Diese habe ich auch im Fernsehen einmal wieder erkannt. Mehr ist da nicht in meiner Erinnerung – und in meiner Fotogalerie auf dem Smartphone.

Rothenburg ob der Tauber – eine Stadt, die in Erinnerung bleibt! Und einige Fotospots erkennst Du sicher wieder… instagramable.

Rothenburg ob der Tauber – instagramable und voller schöner Einnerungen

Denke ich an Rothenburg ob der Tauber, dann denke ich an eine Stadtmauer, auf der ich laufen kann. Ich denke an großartige Ausblicke, an die Schneeballen, ein regionales Gebäck, an eine Stadttour in einer historisch anmutenden Rikscha, an Läden voll mit regionalen Produkten, wie Lichthäusern, Weihnachtspyramiden, Metallhandwerk, Spielzeug, Schokolade und und und. In Rothenburg wusste ich zu jedem Zeitpunkt, dass ich in Rothenburg bin – ohne Zweifel. Scheinbar verfolgt die Stadt Rothenburg hier eine komplett andere Strategie – bei mir mit Erfolg.
Und soll ich Euch etwas sagen? Diese Schneeballen, wunderschöne Gebäckkugeln, die es an jeder Ecke und in jedem Café gab, waren mit Verlaub geschmacklich gar nicht besonders gut. Aber sie sahen in der Auslage, teils als meterhohe Pyramiden aufgebaut großartig aus. Also habe ich welche gekauft – zum Probieren. Übrigens, sie sind oft so verpackt, dass sie wunderbar als Mitbringsel funktionieren. Wie Du siehst, gibt es ein Foto in diesem Beitrag, das ich selbst gemacht habe. Hat also geklappt, mit der Instagramability!

Als absolute Krönung gibt es in Rothenburg den weltberühmten Laden von Käthe Wohlfahrt. Ein Geschäft, nein ein Weihnachtsdorf, in dem auf mehreren Etagen 365 Tage im Jahr Weihnachten ist. Der Laden ist vielen bekannt und lockt auch internationale Gäste an. Übrigens, hier darf nicht fotografiert werden. Spätestens der mehrere Meter hohe und reichlich geschmückte Weihnachtsbaum im Inneren des Ladens macht es einem wirklich schwer, nicht das Smartphone zu zücken. Instagramability hätte funktioniert, wäre es nicht untersagt gewesen.

Eine „Schneeballenpyramide“ in Rothenburg ob der Tauber, hier wurde das
regionale Produkt perfekt in Szene gesetzt. Hat gewirkt! Ich habe es fotografiert
UND welche gekauft! Instagramability!

Instagramability und die wertvollen „Nebenbei-Erkenntnisse“

Jährlich wird viel Geld dafür ausgegeben, statistische Daten zu erfassen oder Menschen direkt zu befragen. Gesucht werden Reiseverhalten, Pendelverhalten oder Besucherströme. Wenn wir Instagramability mitdenken, dann brauchen wir nur zu schauen, was die Menschen in den Netzwerken aus unserer Stadt oder Kommune teilen! Das gibt uns viel Aufschluss darüber, welche Motive und demzufolge Orte besonders beliebt sind. Wir können auch auslesen, wie die Menschen die Orte bewerten. Und das wiederum ist hilfreich, die Orte weiterzuentwickeln.
Wir sehen unsere Stadt oder Kommune also mit den Augen der Gäste und Einwohner*innen.

Begeisterung über einen Mülleimer – wer hätte das gedacht?
Instagramability bietet so viele Möglichkeiten!

Bänke – mehr als nur eine Sitzgelegenheit

Ich bin immer begeistert, wenn Städte nicht einfach Bänke aufstellen, sondern Hingucker zum Draufsitzen. Knallbunt oder mit einem Spruch versehen, sind sie ebenfalls ein beliebtes Fotomotiv und bleiben in Erinnerung. In der Inselstadt Malchow gibt es eine Bank mit der Aufschrift: Sät Di dol. Hier hat man sogar auf Plattdeutsch geschrieben und somit eine Unverwechselbarkeit geschaffen.

Ich habe auch schon Märchenbänke gesehen. Auf ihnen war ein QR-Code abgedruckt und man konnte ein Märchen hören, während man auf der Bank saß. In Erfurt gibt es Bänke mit den übergroßen Figuren bekannter DDR-Figuren aus Kindersendungen. Hier kannst Du dich also neben Sandmännchen, Schnattchen und Co. setzen und – richtig – fotografieren lassen. Wie schön und nostalgisch!

Was Musik mit Instagramability zu tun hat

Zugegeben, auf den ersten Blick nichts. Die folgende Geschichte von einer Reise nach München wird das Gegenteil beweisen.
Nach einem ereignisreichen Tag in München, wollte ich auf dem Marienplatz nur noch ein Eis essen und mich auf den Heimweg machen. Auf der Suche nach einem sonnigen Plätzchen in den ersten warmen Frühlingsstrahlen erregte Klaviermusik meine Aufmerksamkeit. Ich selbst spiele und liebe das Lied, das auf dem Marienplatz, im Herzen von München ertönte. Moment, ein Klavier mitten in München und draußen? Meine Neugier war geweckt, meine Gänsehaut auch.
Ich fand mich als eine von hunderten Zuschauern wieder, die im Kreis dem leidenschaftlichen Klavierspiel lauschten. Einige wippten mit den Füßen, andere warfen klimpernd Münzen in den Hut. Nebenbei gesagt war der Pianist ein Meister der Unterhaltung, mit einer Hand improvisierte er, mit der anderen winkte er den Passanten- klein und groß. Es war fantastisch. Und viele machten Videos. Und hier kommt Instagramability ins Spiel!
Der Pianist war so clever, seinen Instagram-Account gut sichtbar am Klavier zu fixieren. So können die Zuschauer ihn taggen (@accountname), wenn sie die Videos posten Der Pianist spielt und kann sich schlecht selbst fotografieren oder filmen. Sein Publikum tut es für ihn und tagged ihn. Da haben wir es wieder! Er braucht es nur noch teilen!
Er war wirklich ein großartiger leidenschaftlicher Entertainer und so wanderte auch von mir Geld in den Hut, verbunden mit einem großen Gefühl der Dankbarkeit, den Menschen auf diesem Platz und mir so einen besonderen Gänsehaut-Moment geschenkt zu haben.

Emotionen auf dem Marienplatz in München. Zahlreiche Menschen lauschen dem Pianisten,
summen mit, tanzen, werfen Geld in den Hut, verweilen UND machen Fotos und Videos,
die dann im Netz landen.

Straßenmusik weckt Emotionen und schafft Erinnerungen

Ich war enttäuscht, als ich 2021 von einem Straßenmusiker in Zingst erfuhr, dass viele Orte an der Ostsee, die Auftritte nicht mehr erlauben. Wenn ich an diesen Tag in München denke oder an einen Urlaub in Zingst vor einigen Jahren, wo ebenfalls dutzende Menschen mit Fish and Chips der Musik eines Straßenmusikers im Hafen lauschten und erst weiterradelten als er seinen Auftritt beendete. Musik ist etwas so Wunderbares und Emotionales. Musik bringt Menschen zusammen und verleiht Orten und Momenten etwas Magisches. Für alle Citymanager*innen: Sie erhöht die Aufenthaltsdauer! Das wiederum ist gut für eure Händler und die Gastronomie.
Musik bereichert Momente um Emotionen und macht sie so unvergessen! Fragt mich in einigen Monaten, woran ich mich in München erinnere! Es wird nicht der standardmäßige Klamottenladen sein. Es wird der Auftritt dieses Musikers sein!
An dieser Stelle sende ich einen Appell an alle Städte und Kommunen: Ladet Straßenmusiker*innen zu Euch ein! Nutzt diese Möglichkeit, die Besucher dazu zu bringen, sich an eure Stadt zu erinnern, etwas Schönes zu erleben, Fotos und Videos zu machen und sie zu teilen.

Wie Kunst und Kultur Instagramability schaffen

Wenn wir an dieser Stelle schon eine kleine Zusammenfassung machen, dann wird deutlich, dass Kunst und Kultur ein Treiber für Instagramability sind (Foto-Thema in Zingst, Straßenmusik, Chefchauen). Natürlich spielen auch Architektur und Gegebenheiten eine Rolle, die sind jedoch nur schwer zu beeinflussen). Mit Kunst und Kultur können wir spontan nahezu jeden Ort aufwerten und instagramable machen! Wir können eine „langweilige“ Straße in eine bunte Kunstmeile verwandeln, können Emotionen wecken usw..

Ein Appell – Die Innenstadt neu denken

Alle die versuchen, den Status Quo der post-Corona-Einkaufsstraße wiederherzustellen, denen muss ich leider sagen, dass auch schon vor der Pandemie die Innenstädte nicht mehr das waren, was wir kannten. Sie befinden sich längst in einer Transformation. Corona hat das nur beschleunigt. Während in den 90er Jahren noch jahreszeitliche Rabattaktionen oder lange Einkaufsnächte die Menschen in Scharen in die Einkaufsstraßen lockten, zieht das heute nicht mehr. Und daran ist nicht nur der Online-Handel Schuld.
Die Menschen wollen etwas Besonderes, sie wollen etwas erleben und entdecken, wollen sich an etwas erinnern und ihr Leben bereichern: Der besondere Laden in der Seitenstraße, regionale Produkte, eine kleine Entdeckung… Städte sind nicht mehr die reinen Konsumorte. Sie können so viel mehr sein. Wir müssen Städte ab sofort auch begreifen als:

  • Orte des Begegnens (Familiencafés, Kurse, Vereinsräume etc.)
  • Orte des Erlebens (Produkt-)Vorführungen)
  • Orte des Lernens (Volkshochschulen etc.)
  • Orte der Erholung (Frei- und Grünflächen, Spielgeräte)
  • Orte der Information (digitale oder analoge Aushänge/Litfasssäulen)
  • Orte der Kultur (Straßenkünstler aller Art, 3D-Street-Art, Skulpuren, Musik)

Einige Innenstädte haben das erkannt und gehen neue Wege. Die Inselstadt Malchow hat z.B. das Konzept der Lesenacht aufgegriffen. Am jährlichen internationalen Vorlesetag im November öffnen Geschäfte abends ihre Türen. Vorlesepaten oder die Inhaber*innen selbst lesen aus verschiedenen Büchern vor. Zahlreich kommen jedes Jahr die Menschen und genießen diese besondere Atmosphäre. Und wie mir ein Inhaber eines Traditionsgeschäftes berichtete, kamen Tage später Besucher der Lesenacht in sein Geschäft, um sich das Sortiment in Ruhe anzuschauen. Vor der Lesenacht hätten sie sich nicht getraut. BINGO! Und: Die Innenstadt wird zum Ort der Kultur!
By the way, Innenstädte ausschließlich durch Events zu beleben funktioniert nur punktuell. Darum sollten diese langfristig nur ein Teil in einem vielfältigen Puzzle sein. Die Hansestadt Greifswald hat wunderschöne Kombinationen aus Bepflanzung und Sitzgelegenheit in der Innenstadt implementiert. Einfach großartig!
Die Stadt Heidenheim an der Brenz schafft temporär „Pflanzinseln“ in der ansonsten recht ungrünen Innenstadt. Sehr gelungen!

Macht eure Bürgerinnen und Bürger stolz

Ein für mich ebenso immer noch unterrepräsentiertes Thema ist die Macht der Bestands-Kunden. Bei Städten und Kommunen sind das die Bürgerinnen und Bürger – 365 Tage im Jahr. Sie sind unser ständiger Spiegel und auch ein Sprachrohr nach außen. Wir sollten sie nicht weniger beachten als unsere Gäste. Im Gegenteil, wir sollten sie stolz machen auf ihre Stadt! Sie können als Influencer agieren – für uns!
Sie empfehlen, berichten, besuchen unsere Veranstaltungen, nutzen unsere Angebote – täglich.
Wenn wir es schaffen, sie zu begeistern, dann machen auch sie Werbung für uns!
Darum: Bitte denkt die Bürgerinnen und Bürger mit: Die Kinder, die Senior*innen, die Sportler,*innen die Spaziergänger*innen, die Eltern, die Ehrenamtler*innen, die AZUBIS und Student*innen, die Menschen mit Einschränkungen…. Und bitte denkt auch daran, dass wir nicht nur Gäste wollen. Auch Zuzug ist ein Ziel für Städte und Kommunen und das funktioniert nur, wenn die „tägliche Infrastruktur“ glaubhaft ist und stimmt.
(Dem Thema Bürger*innen als Influencer werde ich mich noch gesondert in einem weiteren Blogartikel widmen).

verschiedene Inspirationen zu Instagramabilty mit Formen, Farben und Licht: Himbeeren bei der Gartenausstellung in Wittstock, Ballons in Portugel, Screenshot aus der Story der Greifswalder Influencerin Annelie von Ahoi, Screenshot der Warenerin Diana Lucas-Drogan aus St. Gallen, Screeenshot der Story von Bine Brändle, Screeenshot der Story von Prof. Auerbach (HOST HST) vom blauen Licht im Hamburger Hafen .

Anregungen für Instagramability

Lass uns einige Dinge zusammenfassen und ergänzen:

  1. Eigene Produkte
    Wie oben schon erwähnt, hat Instagramability eine Menge mit „Unverwechselbarkeit“ zu tun. Das Ziel muss es sein, dass unsere Besucher zu jeder Zeit wissen, dass sie in unserer Stadt sind. Ich habe das Beispiel der Schneeballen in Rothenburg ob der Tauber erwähnt. Es gibt sehr viele Möglichkeiten, eigene Produkte aufzusetzen. Wie wäre es mit einer eigenen Limonade? Ihr könnt bei zahlreichen Getränkehändlern sogenannte White-Label-Lösungen bekommen. Was ihr braucht, ist ein Inhalt, der glaubwürdig zu eurer Region/Stadt passt und ein schniekes Label, das im besten Falle auch klar macht, wo die Gäste sind. Und jetzt stell Dir ein Foto vor, in dem zwei Menschen ihre Flaschen mit eurem schicken Logo in den Sonnenuntergang halten und in den Netzwerken teilen. Keine schwere Vorstellung, oder?
  2. Street Art
    Das Thema ist wahnsinnig groß und umfassend, als Beispiele möchte ich Straßenbemalung nennen. Besonders beeindruckend ist die 3D-Street-Art. Und ihr setzt noch das Krönchen auf, wenn das Motiv dazu einlädt, sich selbst dazu zu stellen und – richtig – fotografieren zu lassen. Vergesst nicht, die/den Künstler*in zu bitten, den Ort zu vermerken oder sogar ein Motiv zu verwenden, dass es auch in eurer Stadt gibt.Ihr könnt auch einfache StreetArt nutzen, um Besucherströme zu lenken. Schon mal dran gedacht, etwa mit Pfeilen o.ä.?Zur StreetArt zählen für mich auch die unzähligen Graffitis und Malereien an den Hauswänden, z.B. in Köln. Absolut professionell gemacht laden Sie ein, die Stadt ganz neu zu entdecken!
  3. Fassaden
    Wie wäre es statt Standard mit bunt? Auffällige Farben sorgen für Abwechslung und Aufmerksamkeit. Die Kleinstadt Röbel am der Müritz hat diese Besonderheit sogar zum Claim gemacht: „Röbel – Bunte Stadt am kleinen Meer“. Und wer denkt, dass das nichts Besonderes ist, der schaut sich einmal bei Annelie von Ahoi um, die Greifswalderin bloggt regelmäßig aus MV und Greifswald. Hier findet ihr schöne Böden und farbige Wände regelmäßig wieder.
    besondere Fassadengestaltungen, wie Malereien am Brauhaus in Waren, sind ein beliebtes Fotomotiv und werten eine Stadt auf!
  4. Bepflanzungen
    Ob kleinere Bepflanzungen oder kleine Parks in Städten, hübsche Grünflächen ziehen Menschen an und sind beliebte Motive für Fotos.
  5. Aussichtspunkte
    Habt ihr in eurer Umgebung oder Stadt attraktive Aussichtspunkte? Das muss nicht der Rundumblick von oben sein – wobei Kirchtürme gibt es wirklich viele. Es kann auch ein sogenanntes Lug ins Land sein, ein herrlicher Panoramablick oder eine besondere Gasse, mit Blick auf das Wasser!
  6. Architektur
    Eigentlich offensichtlich, aber der Vollständigkeit halber genannt werden soll hier auch die Architektur. Ob modern oder historisch, besondere Gebäude sind beliebte Fotospots und ziehen Menschen an.
  7. Imagetransfer
    Ein attraktiver Fotospot in der näheren Umgebung kann „abfärben“. Nutzt das für Euch!
  8. Kunst und Kultur
    Mit Kunst und Kultur verwandelt ihr graue Orte in bunte Erlebnisplätze! Denkt an Straßenkünstler, Straßenmusiker oder umstrickte Bäume! Und das alles sehr kurzfristig!
  9. Licht
    Die Magie von Licht ist nicht zu unterschätzen! Hübsch angebrachte Lichterketten oder andere Installationen lassen Romantik aufkommen und Emotionen. Perfekt, damit ihr im Gedächtnis bleibt!
  10. Aktionen
    Auch mit einzelnen Aktionen kann man Instagramability schaffen. Die Kommunde Neverin bei Neubrandenburg macht jedes Jahr in der Adventszeit eine Aktion mit den Bürgerinnen und Bürgern. Die Verwaltung gibt Sterne aus und bittet die Einwohner*innen diese schön geschmückt in die Fenster zu hängen. Auch Tannenbäume gab es einige Jahre, für die Vorgärten und ein weihnachtliches Neverin. Gibt ein schönes Gemeinschaftsgefühl und Fotos in den sozialen Netzwerken und Stati.
    Viele kennen sicher auch die Strick- und Häkelaktionen, bei denen Bürger*innen für die Stadt fleißig sind und dann werden Bäume, Geländer und Straßenlaternen verschönert. Du siehst, es muss nichts Großes Teures sein.
Bushaltestellen können nicht nur Spaß machen, sie können auch zigtausende Likes bekommen und so viral gehen! Hier ist sogar die Verbindung zum Ort nachvollziehbar. Oben links noch ein Beispiel aus Zingst von „Annes kleine Strandfabrik„, offensichtlich fand eine Kund*in das Farbspiel mit Wand und Stühlen instagramable!

Instagramability und die (unwahrscheinlich negativen) Folgen

Wenn ihr Instagramability googelt, dann werdet ihr auch auf kritische Stimmen stoßen. Die „Fotogenität“ hat vielen Orten in der Welt auch Nachteile beschert, etwa unerträglich hohe Touristenzahlen in Städten oder leidende Natur bei Fotospots an besonderen Outdoor-Orten.
Bitte nehmt dies nicht als Ausrede! Es geht hier um Venedig, Paris, Amsterdam und Co. Wenn ihr aktiv werdet und Instagramability mit plant, dann werdet ihr nicht automatisch zu einer dieser Städte und überrannt!

Instagramability: Eine Chance für Städte?

Instagramability kann uns helfen, voranzukommen, sie bietet viele Vorteile:

  • Anderer Blick und Rückmeldung auf unsere Stadt/Kommune/Region
  • mehr Sichtbarkeit im Netz
  • authentische Contenterstellung durch Bürger*innen, Gäste und Touristen, die wir für uns nutzen können
  • Werbung durch andere
  • Wiedererkennungswert entwickeln
  • Definition von Städten über den Konsum hinaus
  • zum Teil einmalige Aufwändungen wirken lange
  • mit finanziell oft überschaubaren Mitteln umsetzbar

Ich kann Dich nur ermutigen, kreativ zu werden! Wo lässt sich (unverwechselbare) Instagramability in Städten schaffen? Wo gibt es sie schon und wo braucht es nur den Zugang?
Lasst uns ausbrechen aus dem Standard, den landweiligen, vernünftigen, vergleichlichen Innenstädten und Konsumtempeln, hin zu Städten und Kommunen, die Orte des Erlebens und Entdeckens werden!
Lasst uns den Besuch in der Stadt zu einem Stadtabenteuer machen – inspirierend, faszineriend und bereichernd.

Quelle Titelbild: https://www.domino.com/content/yellow-doors/

 

Kommentare: 2

  1. Carolin sagt:

    Liebe Judith,
    es beeindruckt mich so sehr, mit wieviel Recherche, Hintergrundwissen, Herz, Mühe und Wohlwollen Du uns Dein Anliegen vermittelst.
    Du nimmst mich „gefangen“ und ich habe das Gefühl, es ist nichts einfacher, als sofort loszulegen….. und wie wahr!
    DANKE

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